Patientenkompetenz

2. Februar 2014 - 22:47

Der Begriff Patientenkompetenz taucht heute vermehrt bei von schweren Krankheiten betroffenen Menschen auf.

Unter Patientenkompetenz verstehen wir ein neues Bewusstsein sowohl bei den Patienten wie auch bei den heilenden und helfenden Berufen, dass nicht mehr die Healthprofessionals alleine wissen und bestimmen, welche Möglichkeiten und Therapien zur Heilung bestehen, sondern dass auch der Patient immer mehr zum Experten für seine Gesundheit wird. Immer mehr Patienten haben das Bedürfnis und das Wissen, selbst zur Heilung beizutragen und wollen auch die Selbstbestimmung haben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

In der Definition der Tumorgruppe der Universität Freiburg in Breisgau finden sich die Fähigkeiten, über die kompetenten Patienten verfügen:

  • Sie können und wollen sich den Herausforderungen der Krankheit selber stellen und sich nicht ausschliesslich den Händen der heilenden und helfenden Berufe geben;
  • Sie kennen und nutzen ihre eigenen Ressourcen, um mit der Krankheit umgehen und ihren Teil zu Heilung beizutragen;
  • Sie sind in der Lage, auch ihre persönlichen Bedürfnisse einzubringen und zu vertreten;
  • Sie verfolgen ihre eigenen Zielvorstellungen während der Krankheit und in deren Behandlung;
  • Sie wahren ihre Autonomie über den ganzen Prozess.

Fragen wir Patienten nach ihrer Definition, so bekommen wir leicht andere Antworten, nämlich:

  • Den eigenen Weg in der Krankheit zu finden und zu gehen;
  • Aus eigenen Kräften zur Verbesserung des Krankheitsverlaufs beizutragen;
  • Wege zu finden, ihre eigenen Werte auch in der Krankheit zu befriedigen;
  • Die Fähigkeit, die Information und den Mut zu haben, zu ihren Bedürfnissen zu stehen und eigene Entscheidungen zu fällen, auch wenn diese von den Empfehlungen des Arztes abweichen.

Kompetente Patientinnen erkennen wir in der Praxis an drei typischen Fragen:

  1. Wo finde ich die für mich relevanten Informationen?
  2. Wer und was hilft mir, mich im Labyrinth der verschiedenen Therapiemöglichkeiten und „Heilsversprechungen“ zu orientieren?
  3. Was muss ich aus professioneller Sicht berücksichtigen, wenn ich meinen persönlichen Weg durch meine Erkrankung gehe?
  4. Was kann ich selbst zu meiner Krankheitsbewältigung beitragen?

Die Ärzte werden mit dieser neuen Art Patienten konfrontiert und sind zunehmend bereit, sich diesen neuen Anforderungen zu stellen.

Und weil auch heute noch - vor allem zu Beginn einer schweren Krankheit der Arzt über die Wissens- und Informationshoheit verfügt und der Patient oft noch im Schock der Ereignisse gefangen ist, sprechen wir heute in der Medizin von einer Konkordanz zwischen dem Patienten und dem Arzt, deren Ausgestaltung sich im Verlaufe des Krankheits- und Heilungsprozesses wandeln kann. So entstehen eine partnerschaftliche Entscheidungsfindung zwischen den Betroffenen und dem Betreuerteam sowie ein aktiver Einbezug aller Beteiligten in den Behandlungsprozess.

Um Patientinnen in ihrer Kompetenz zu befähigen gibt es ein sogenanntes Empowerment.

Empowerment impliziert per Definition die Selbstbestimmung, die Fähigkeit und die Freiheit, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, eigene Vorstellungen zu formulieren, Entscheidungen zu treffen und sich notwendige Unterstützung zu holen.

In der Praxis werden heute solche Empowermentgespräche durch zur Zeit noch wenige qualifizierte Fachkräfte geführt, die in speziellen Ausbildungsprogrammen dafür befähigt werden. Das Buch „Empowerment von Frauen mit Brustkrebs“ liefert einen Leitfaden dafür für Healthprofessionals, der jedoch auch eine gute Grundlage für kompetente Patientinnen oder solche, die es werden wollen, ist.

Als Voraussetzung für dieses neue Arzt-Patienten-Modell braucht es von beiden Seiten einen neuen Blickwinkel und eine neue Haltung.